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Das Alter braucht ein neues Image

Im Marketing steht der Begriff „Marken-Image“ für das in der Psyche von Menschen fest verankerte Vorstellungsbild eines Objektes. Es gilt als ungemein schwierig, dieses Gebilde aus persönlichen Gefühlen, Wünschen, Erwartungen als Ganzes zu erfassen.

Meine Assoziationen zum Image des Alters:

  • Angst vor Leistungsverlust
  • Verlust an Wohlbefinden, Gesundheit und physischer Attraktivität
  • Gefahr der gesellschaftlichen Abwertung
  • Weniger Ansehen und Macht, weniger Saft und Kraft
  • Unsichtbarkeit
  • Ergänzt durch die Angst vor dem nahenden Tod

Viel Negatives, kaum etwas Positives.

Mit einer der Gründe ist der in unserer Gesellschaft vorherrschende Jugendkult verbunden mit der Idee des Anti-Aging, die unser zeitgenössisches Denken prägt. Eine Idee, die verhindert, dass viele Menschen das Altern und die Sterblichkeit auf gesunde und positive Art und Weise akzeptieren.

„Das Alter ist der behandlungspflichtige Normalzustand Nummer 1“

schrieb Naomi Wolf 1990 treffend in ihrem Buch „Mythos Schönheit“.

Schaut man sich am Zeitschriftenkiosk um, dann sehen gefühlte 99 % der Frauentitel aus, als wären sie für Frauen im Alter von 19-30 Jahren. In Werbung, Kino und  Fernsehen sind Frauen in den 40- und 50-ern nicht präsent – sie tauchen erst später wieder als freundliche Omi auf.

Mindestens 10 Jahre jünger scheinen als man ist, das ist das neue Normal

Die heutigen 30-Jährigen sehen aus wie 20, die 40-Jährigen wie 30, die 50-Jährigen wie 40 usw.  Kein Wunder also, dass wir alles Mögliche und Unmögliche tun, um jung zu bleiben: Wir glauben an die als Jungbrunnen gepriesenen Produkte. Wir hoffen auf den medizinischen Fortschritt, der uns schon in naher Zukunft den Menschheitstraum „ewige Jugend“ erfüllen will. Das alles übt einen erheblichen Druck auf uns alle aus, jung zu bleiben oder zumindest jung zu scheinen.

Man könnte jetzt meinen, uns Frauen trifft das Alter besonders hart.  Ab einem bestimmten runden Geburtstag wird unser Alter zum gut gehüteten Geheimnis. Falls die Frage nach dem Alter überhaupt gestellt wird, hüllt man sich als Frau am besten in interessantes Schweigen oder greift zum ungenierten Schummeln. Das klingt jetzt lustiger als es ist, denn:

Alte Frauen (darf man das überhaupt so formulieren?) verschwinden von der Bildfläche, sie haben keine Macht, keinen Einfluss, sie sind im öffentlichen Leben bis auf wenige Ausnahmen nicht präsent. Sie dienen nicht als Vorbilder, ihre Weisheit bleibt ungenützt, sie geben ihr Wissen nicht im großen Stil an nächste Generationen weiter. Die alten Frauen dürfen sich allerhöchstens als Omas im privaten Bereich nützlich machen.

Die Idee des Anti-Aging hat einen großen Einfluss auf unser Denken

Aber: Müssen wir tatsächlich im Widerstand zum Alter sein? Müssen wir etwas bekämpfen, was ein höchst natürlicher Prozess ist – und mit der Geburt beginnt? Sollten wir nicht vielmehr unsere Energie darauf richten, das Alter und die Sterblichkeit auf gesunde und positive Art anzunehmen und zu akzeptieren?

Das Altern bringt ja nicht nur Negatives

Wir dürfen uns mit zunehmenden Lebensjahren auch auf viele Belohnungen und Annehmlichkeiten freuen:

  • Ältere Menschen haben mehr Tiefgang und verfügen über einen großen Reichtum an Erfahrungen.
  • Wir gewinnen Gelassenheit, Heiterkeit, Weisheit.
  • Wir nehmen Äußerlichkeiten weniger wichtig.
  • Wir schätzen äußere und innere Schönheit.
  • Statt über schnelle Sprints freuen wir uns über unsere Ausdauer und Geduld.

Wieso denken wir so schlecht über das Alter? Was können wir zu einer Imagekorrektur beitragen? Was können wir für ein neues, positives Image dieser Lebensphase tun? Das ist ein wirklich großes Vorhaben und einer der vielen guten Gründe, warum es diese  Plattform gibt.

Zum gleichen Thema gibt es auch einen Podcast:
https://www.feel-well.at/podcast-1-das-alter-braucht-ein-neues-image/

Liebe Leserinnen,
wir freuen uns auf eine rege Diskussion,
auf Kommentare und Anregungen,
was ist Eure Meinung zum Thema?

 

11 Kommentare

  1. Im Leben löst leider eine Angst die andere ab: Vor der Pensionierung ist es oft die Angst um den Job. Nach der Pensionierung die Angst vor Krankheit und Tod. Nicht das Alter muss man bekämpfen, sondern die Angst davor und die Lebensangst überhaupt. Wer eine gewisse Angst als Teil des Lebens akzeptiert, kann auch dem Alter gelassen entgegen sehen. Denn das Alter ist so lebenswert wie wir es machen. Wer früh anfängt, gesund zu leben, hat heute gute Chancen, bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Und damit behält er Lebensmut und Lebensqualität. Dann tut das Alter „nicht weh“, sondern das Leben entwickelt sich einfach mehr oder minder geradlinig weiter. Wer sich immer wieder neue Ziele setzt, der wird viele davon erreichen, egal wie alt er ist. Es gibt dazu einen wunderbaren Ausspruch von Rainer Maria Rilke der mein Lebensmotto ist:
    „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
    die sich über die Dinge ziehn.
    Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
    aber versuchen will ich ihn.“

  2. Ageismus ist eine lange gesellschaftliche eingübte Praxis wie Rassismus oder Sexismus.

    Ich finde es prima, wenn sich Plattformen etablieren, um gesellschaftlichen Wandel anzustoßen und Menschen Mut zu machen.

    Viel Erfolg!

    • Lieber Werner,

      in langjähriger Verbundenheit danke ich dir sehr für deine guten Wünsche. Ich freue mich, dass du unser Anliegen unterstützt.

      Beste Grüße und feel well wünscht dir
      Andrea

  3. Liebe Andrea.
    Ich gratuliere euch, dass ihr abseits vom derzeitigen Schönheitswahnsinn den Mut gefunden habt, älteren im Leben stehenden und aktiven Frauen eine Plattform zu geben. Und nicht im Sinne von herkömmlichen Seniorenseiten oder Seiten, die nur über Krankheiten berichten. Wichtig ist auch, dass ihr nicht nur über die Sorgen sondern auch über die Freuden des Alters schreibt. Von mir aus gesprochen heißt es: deutlich selbstbewusster werden, seine Stärken kennen, das ist ein schöner Effekt des Älterwerdens. Ich wünsche euch viel Erfolg. Eure Dany

  4. Liebe Dany,

    deine Zeilen freuen und bestätigen uns sehr. Es ist ein gutes Gefühl, über Sorgen und Ängste aber noch mehr über Freude und Erfolg mit Gleichgesinnten zu reden oder zu schreiben. Damit bekommt das Leben die notwendige Leichtigkeit.

    Einerseits profitieren wir natürlich selbst von unserer Plattform. Andererseits ist es großartig, dass es viele Frauen gibt, die durch unser Handeln und Tun angeregt und mutiger werden. Sie sich mehr zutrauen, wohler fühlen, um das Frausein zu genießen.

    In diesem Sinne alles Liebe und feel-well wünscht dir
    Andrea

  5. Liebe Andrea!
    Ich finde es großartig, dass es eine Gruppe von Frauen gibt, die anderen Frauen Mut macht und hilft, das Älterwerden positiv zu sehen. Eine Freundin, die eine schwere Krankheit überstanden hat, sagte zu mir, jedes Jahr ist ein Geschenk über das sie sich freut. Diese Einstellung hat sich auch in mir festgesetzt. Es kommt selten vor, dass ich über mein Alter nachdenke, aber ich versuche, mich von der fiktiven Anzahl der Kerzen auf meiner nächsten Geburtagstorte nicht zu fürchten. Mein Motto lautet, viele Dinge zu tun, die mich erfreuen und mich mit dem, was nicht zu ändern ist, abzufinden. Wenn es mir gut geht, spürt das meine Umgebung und es setzt sich eine positive Spirale in Bewegung. Ich wünsche Dir und Deinem Team viel Erfolg! Alles Liebe, Christl

  6. Liebe Christl,

    danke für deine Zeilen. Dein Motto, viele Dinge zu tun, die dich erfreuen und sich mit dem, was nicht zu ändern ist, abzufinden, ist großartig. So erlebe ich dich und freue mich jedesmal über die Begegnung mit dir.

    Bis bald und feel-well wünscht dir Andrea

    • Bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen.. genau das, mit dem ich mich schon länger auseinandersetze und mir wünsche ?.. nach einem schweren Schicksalsschlag, dem Unfalltod des 16 jährigen Sohnes, umso mehr!
      … dem Leben begegnen.. Fülle, Inhalt und Raum geben! Im Sinne von „nicht nur dem Leben mehr Tage geben.. sondern den Tagen mehr Leben!

      Verena Kast bescheibt meine Vision recht gut:

      …Zielvorstellung könnte noch viel deutlicher als zuvor sein, treu sein zu sich selbst und immer mehr die zu werden, die sie eigentlich ist. Wenn dazu auch Züge der alten weisen Frau kommen, weil sie dazu gehört – um so besser. Sie könnte eine Frau werden, die um die Endlichkeit des Lebens weiß, aber auch um das Gestaltenwollen angesichts des Todes, die Gelassenheit hat und auch den Humor behält angesichts der Verluste und die riskiert, das zu leben, was sie schon immer leben wollte…

  7. Liebe Lucia,

    vielen lieben Dank für Deinen Kommentar! Schön, dass Du uns gefunden hast ?

    Genau nach so einer treffenden Formulierung wie Deiner nämlich für den Gestaltungswillen angesichts des Todes suche ich schon die längste Zeit.

    Alles Liebe & Feel-well
    wünscht Dir
    Petra

  8. Liebes feel-well Team, liebe Petra,
    danke für die Rückmeldung.
    Der Buchtipp dazu: Lebenskrisen werden Lebenschancen – Wendepunkte des Lebens aktiv gestalten (Herder Verlag, ISBN 978-3-451-80427-4)
    Über ganz viele Themen bezüglich Übergängen, Veränderungen und Lebensphasen bei Frauen schreibt Verena Kast hier recht anschaulich und verständlich.
    Liebe Grüße aus Oberösterreich!

  9. Die Künstlerin Renate Bertlmann war auf der feel-well-Website und hat uns folgendes Feedback gegeben: „Ist wirklich toll, was in dieser Frauenplattform alles angesprochen wird.“

    Große Freude darüber!

    Renate Bertlmann beschäftigt sich in ihrer Kunst mit Rollen- und Körperbildern. Sie hinterfragt geschlechtliche Zusammenhänge, indem sie Themen wie Pornografie, Sexualität, Gewalt, Eros und Hierarchie diskutiert. http://www.bertlmann.com

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