Die Lust der Frauen I allgemein

Die weibliche Lust ist – global betrachtet – noch immer ein großes Tabuthema. Viele Religionen und Kulturen gestehen den Frauen keine eigene, selbstbestimmte Sexualität zu. Der weibliche Körper wird verteufelt, gilt als unrein und bringt das Böse in die Welt. Denken wir an den Islam, an die Zustände in Indien oder auch an die christliche Eva, die aus dem Paradies vertrieben wurde, weil sie von den verbotenen Früchten gegessen hat. Was steckt nun dahinter: Warum stellt die weibliche Lust so eine große Gefahr dar, dass man sie unterdrücken, verhindern oder verleugnen muss(te)? Die Ursache dafür könnte die biologisch „unsichere“ Vaterschaft sein. Während die Mutter eines Kindes eindeutig ist, ist es der Vater nicht. Eine Ungewissheit, die das patriarchale Machtgefüge massiv ins Wanken bringen könnte.

Mythen um die weibliche Sexualität

Aber auch heutzutage im aufgeklärten Westen ist trotz der „sexuellen Revolution“, trotz der Anti-Baby-Pille, trotz der medialen Sexualisierung und trotz der allgegenwärtigen Pornografie, die selbstbestimmte Sexualität für Frauen immer noch alles andere als selbstverständlich.

In Bezug auf die weibliche Sexualität gibt es bis heute viele Mythen, die nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen. So lauten gängige Klischees: Frauen wollen gemütlich kuscheln während Männer immer und überall Sex wollen. Frauen suchen beim Mann „echte“ Gefühle und die Aussicht auf eine feste Beziehung und können mit purem Sex nichts anfangen.

Frauen verlieren Lust am Partner früher als umgekehrt

Viele Frauen beweisen, dass Frauen ebenso an purem Sex, ohne verliebt zu sein, interessiert sein können. Neue aktuelle Studien¹ belegen, dass viele Frauen schon nach zwei bis vier Jahren die Lust an ihrem Partner verlieren, das ist viel früher als umgekehrt. Besonders interessant ist auch die aktuelle These, die besagt, dass das sexuelle Verlangen der Geschlechter je nach Lebensalter unterschiedlich ausgeprägt ist. Bei Frauen steigt im Lauf der Jahre die Lust langsam an und erreicht ihren Höhepunkt erst Mitte 30, während bei Männern die sexuelle Begierde schon mit 20 am höchsten sei und dann abfällt.

Mädchen werden zu sexueller Passivität erzogen

Die Sexualforscherin Ann-Marlene Henning² meint, junge Frauen wären aufgrund der Erziehung und durch soziale Prägungen gehemmt. Mädchen werden noch immer zur sexuellen Passivität erzogen, wenn sie im Alter von zwei oder drei Jahren ihre Geschlechtsorgane erkunden, hören sie von den Eltern wohl kaum ein erfreutes und stolzes:

„Oh, sie spielt mit ihrem Spatzi!“.

Später wird den Mädchen die Angst vor dem schmerzhaften ersten Mal eingeredet. Und nach wie vor heißt es auch in unserer modernen Gesellschaft, sexuell aktive Frauen wären schamlos und destruktiv. Sie wären nicht die richtigen Partnerinnen. Also ist es eigentlich kein Wunder, dass junge Frauen in ihrer Lust gebremst werden. Ein weiteres Beispiel: Lt. einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2017  haben Frauen im Laufe ihres Lebens, durchschnittlich 5,5 Sexualpartner. Das sind halb soviele wie Männer, die im Durchschnitt auf 10,2 Partnerinnen kommen (Deutsches Ärzteblatt³).

Frauen entdecken ihre Lust oft erst, wenn sie älter sind.

Frauen in den Wechseljahren hingegen können aufgrund ihrer gesammelten Lebenserfahrung ihre anerzogene Scham soweit besiegen, sodass sie ihre sexuelle Lust – spät aber doch – spüren und einfordern können. Viele Ziele sind erreicht, die Kinder sind aus dem Haus und der Kopf wieder frei für Neues. Dazu kommen die ganz praktischen Vorteile, dass keine Verhütung mehr notwendig ist und auch keine Angst vor ungewollter Schwangerschaft. Viele Frauen entdecken in dieser Lebensphase eine neue Freiheit und haben gelernt sich selbst anzunehmen und zu lieben. Dazu kommt die Lust Neues auszuprobieren. Auf zu neuen Ufern. Nur Mut!

 

Quellen:
1) https://www.zeit.de/lebensart/partnerschaft/2014-01/polygamie-bei-frauen
2) 3sat – Scobel Magazin: Die Lust der Frau
3) Haversath J, Gärttner KM, Kliem S, Vasterling I, Strauss B, Kröger C: Sexual behavior in Germany—results of a representative survey. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 544–50. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0545

 

Tipp: Hörenswert

Podcast #4: Die Lust der Frauen